Pröll: Dörfer müssen “offen sein“!
„In Niederösterreich genauso wie in anderen europäischen Regionen stehen die LandbewohnerInnen heute gewaltigen Herausforderungen gegenüber, die nach raschen, zugleich aber nachhaltigen und zukunftsfähigen Entscheidungen verlangen. Europaweiter Erfahrungsaustausch und Know-How-Transfer erweisen sich dabei zunehmend als wichtige Wegbegleiter“, erklärte der Vorsitzende der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung, Niederösterreichs Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll, St. Pölten, heute bei einer Pressekonferenz im NÖ Landhaus. Als vorrangige Aufgaben, die es zu bewältigen gelte, nannte er die Themen Überalterung und eine immer bunter werdende Gesellschaft, Klimawandel und Ressourcenverknappung, schrumpfende Finanzhaushalte sowie Verstädterung, Land- und Stadtflucht.
Ländlicher Raum ist von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung
Pröll machte deutlich, dass ländliche Räume nicht auf die agrarische Dimension reduziert werden dürfen. Wer sie stärken möchte, müsse die ökonomische Potenz und die Beschäftigung in den ländlichen Kommunen fördern, die natürlichen Ressourcen nicht zuletzt durch eine umsichtige Raumplanung schützen sowie die Lebensqualität der BewohnerInnen durch eine zeitgemäße Nahversorgung und innovative Infrastrukturen in den Bereichen Gesundheit, Pflege, Betreuung und Bildung heben. Der Schlüssel für eine erfolgreiche Entwicklung sei aber das menschliche Potenzial der Dörfer als Orte, in denen Betroffene zu Beteiligten, das Ehrenamt gepflegt und das soziale Miteinander über gesellschaftliche Gruppen hinweg gelebt würden. „Dörfer vermögen sich als soziale Quellen zu erweisen. Das ist ein Auftrag und eine Chance zugleich“, betonte Pröll.
Ländliche Gebiete, so Pröll weiter, erfüllten eine Reihe von wichtigen Funktionen auch für die Menschen in der Stadt, so dass sich eine Politik zu ihren Gunsten zum Wohle der gesamten Gesellschaft erweise. Der einjährige Projektzyklus der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung unter dem Titel „European Rural Innovations & Benefits 2020“ habe sich dieser Thematik angenommen und damit für Europas Dörfer und Landräume Öffentlichkeitsarbeit im besten Sinne geleistet.
ARGE-Geschäftsführerin Theres Friewald-Hofbauer nannte als Bestandteile der EU-geförderten Maßnahme „European Rural Innovations & Benefits 2020“ einen Multimedia-Wettbewerb mit mehr als 250 Einreichungen, der die Lebensqualität und die vielfältigen Funktionen ländlicher Räume ins rechte Licht rückte, eine darauf aufbauende mobile Ausstellung mit Stationen in Berlin (Grüne Woche), Polen (Agrotravel Kielce) und Klagenfurt, eine europäische Studienfahrt zu beispielhaften Gemeinde- und Regionalentwicklungsprojekten in Bayern sowie internationale Konferenzen bzw. Seminare und Workshops in Slowenien, Deutschland und Luxemburg. Als „Herzstück“ der Kampagne verwies sie auf die Erstellung einer elektronischen „Rural Roadmap“. „Dabei werden die europaweit besten Dorferneuerungsorte auf einer virtuellen Landkarte per Mausklick auffind- und abrufbar sein, wovon wir uns einerseits exkursionstouristische Attraktivität und andererseits Inspirationen für entwicklungsorientierte Landgemeinden erwarten“, erklärte Friewald-Hofbauer.
Europäischer Dorferneuerungspreis 2016 – Kirchberg/Pielach vertritt Niederösterreich
„Um in die ‚Rural Roadmap’ aufgenommen zu werden, braucht es eine erfolgreiche Evaluierung im Zuge des Europäischen Dorferneuerungspreises. der heuer zum 14. Mal vergeben wird. Mit der Marktgemeinde Kirchberg an der Pielach hat Niederösterreich einen aussichtsreichen Preiskandidaten entsendet“, so Pröll. Vor allem das Wettbewerbsmotto „offen sein“ sei der Mostviertler Gemeinde geradezu „auf den Leib geschnitten“, zeichne sie sich doch allem voran dadurch aus, dass sie offen für das Neue sei, Dorfgrenzen überschreite und gesellschaftliche Vielfalt nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung begreife.
Der Wettbewerb um den Europäischen Dorferneuerungspreis wurde 1990 von der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung mit dem Ziel, den Erfahrungsaustausch zu fördern, Europas Zusammenwachsen zu begünstigen und die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der ländlichen Regionen der europäischen Öffentlichkeit bewusst zu machen, ins Leben gerufen. Er wird im 2-Jahresrhythmus veranstaltet und bewertet neben der äußeren Erscheinung vor allem die inneren Qualitäten der Dörfer und Gemeinden, also Aktivitäten im Sinne einer Standort angepassten wirtschaftlichen Entwicklung, die Schaffung zeitgemäßer sozialer Einrichtungen, die Auseinandersetzung mit Architektur, Siedlungsentwicklung, Ökologie und Energieversorgung sowie kulturelle Initiativen und Weiterbildungsmaßnahmen. Wesentlich dabei sind ein ganzheitlicher Ansatz, eine Orientierung in Richtung Nachhaltigkeit und eine von Bürgerbeteiligung, Eigeninitiative und Kooperationsbereitschaft geprägte Methodik der Umsetzung.
Die Preisträger unter den 24 Teilnehmern aus 11 Staaten werden von einer internationalen Wettbewerbsjury im Rahmen von zwei Bewertungssitzungen und Vorortbesichtigungen aller teilnehmenden Gemeinden eruiert. Die Entscheidung fällt Ende Juni, die Preisverleihung erfolgt am 9. September 2016 in Tihany, Ungarn, der Siegergemeinde des Wettbewerbes 2014.