Hinterstoder als Sieger gekürt
24.09.2018
Champions-League der Dörfer: Hinterstoder als Sieger gekürt
Die Oberösterreichische Gemeinde Hinterstoder gewinnt den Europäischen Dorferneuerungspreis 2018, der von der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung unter ihrem Vorsitzenden Landeshauptmann Erwin Pröll diesmal unter dem Motto „we!ter denken“ ausgetragen wurde. Mehr als 1.000 Menschen aus ganz Europa wohnten der stimmungsvollen Preisverleihung in der Tiroler Gemeinde Fließ, die den Wettbewerb vor zwei Jahren für sich entschieden hatte, bei – unter ihnen der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter, Landeshauptmann-Stv. Richard Theiner aus Südtirol sowie zahlreiche Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Der Festakt war in ein buntes Rahmenprogramm eingebettet, das sich vom 20. bis 22. September 2018 über drei Tage erstreckte und bei dem sich sowohl die Gastgeber als auch die 23 Wettbewerbsteilnehmer auf vielfältige Weise präsentierten und begegneten.
Das Motto des 15. Europäischen Dorferneuerungspreises lautete „we!ter denken“ und trug der Tatsache Rechnung, dass in einer zunehmend komplexen Welt ländliche und dörfliche Entwicklung zunehmend mit Herausforderungen konfrontiert sind, die weder in engen räumlichen Grenzen, noch mit kurzsichtigen oder engstirnigen Antworten zu bewältigen sind. „Dorferneuerung, so wie wir sie in der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung sehen, meint neben dem äußerem Erscheinungsbild und sichtbaren oder in Zahlen messbaren Maßnahmen auch die ‚inneren’, die ‚weichen’ Qualitäten einer Kommune, die es zu stärken gilt“, erläuterte der Vorsitzende der ARGE, Landeshauptmann Erwin Pröll, im Rahmen eines Talks. Gerade der Gestaltungswille und das bürgerschaftliche Engagement seien auch wirksames Mittel gegen die größten Bedrohungen Europas der Gegenwart, nämlich den Nationalismus und den Radikalismus.
Die enorme Bedeutung der Dorferneuerung für prosperierende ländliche Räume mit hoher Lebensqualität betonte auch der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter: „Das Zusammenspiel von ökonomischen, ökologischen, gestalterischen, sozialen, kulturellen und sozio-kulturellen Maßnahmen kann der Landflucht erfolgreich die Stirn bieten, vor allem dann, wenn die Erneuerungsprozesse wie beispielsweise im gastgebenden Dorf Fließ von großen Teilen der Bevölkerung und den zahlreichen Vereinen getragen werde.
Die Herausforderungen für die ländlichen Räume Europas sind enorm, demografische Veränderungen, Stadt- und Landflucht, Klimawandel, Ressourcenknappheit, infrastrukturelle Ausdünnung und schrumpfende Wertschöpfung zählen zu den zentralen Problemen, die es zu lösen gelte. Die finanziellen Mittel wie auch die strukturellen Rahmenbedingungen dafür sind vielfach alles andere als optimal. „Umso wichtiger ist es für Dörfer, Gemeinden und Kleinregionen, zuweilen auch unkonventionelle Wege an den Tag zu legen“, zeigten sich der Vorsitzende der international und interdisziplinär besetzten Jury, der Luxemburger Charles Konnen, und Jurorin Nadja Häuplvon der TU München überzeugt. Der Fließer Bürgermeister Hans-Peter Bockführte darüber hinaus die besondere Rolle der Frauen im ländlichen Raum ins Treffen, wenn es um Zukunftsfähigkeit gehe.
Dorfführungen, Besichtigungen, ein Open Space mit den WettbewerbsjurorInnen, eine Ausstellung der Wettbewerbsprojekte mit Verkostungen regionaler Produkte und ein mitreißendes wie auch berührendes kulturelles Programm, das von Gastgebern und Gästen gemeinsam gestaltet wurde, ließen Fließ zum Schauplatz für ein grandioses dreitägiges Fest der Begegnung werden, bei dem Europa nicht als abstraktes Gebilde, sondern als vielfältige, pulsierende Gemeinschaft erlebt wurde.
Hinterstoder überzeugt auf allen Ebenen
Die siegreiche Gemeinde Hinterstoder konnte dank eines über zwei Jahrzehnte konsequent umgesetzten, umfassenden Erneuerungsprozesses, der sich in mehr als 30 kleineren und größeren Projekten von höchster Qualität manifestiert hat, die Trendwende von der Abwanderungsgemeinde hin zu einem Ort mit stabiler Bevölkerung schaffen. In der Begründung der Jury werden dabei insbesondere die Hebung der Lebensqualität, der rege Ideenaustausch in zahlreichen Kooperationen mit ruralen wie auch urbanen Lebenswelten sowie die vorbildliche Partizipationskultur hervorgehoben.
Enorm hohe Qualität aller teilnehmenden Dörfer – drei Vizeeuropameister aus Österreich
Neben der Siegergemeinde haben es noch weitere 13 der insgesamt 23 teilnehmenden Dörfer, Gemeinden oder Regionalverbände in die höchste Kategorie geschafft, die jene Teilnehmer umfasst, die sich durch eine ganzheitliche, nachhaltige und mottogerechte Dorfentwicklung von herausragender Qualität auszeichnen. Darunter befinden sich auch alle drei weiteren Teilnehmer aus Österreich, die sich damit als Vizeeuropameister bezeichnen dürfen: Hopfgarten in Defereggen (Tirol), St. Andrä (Kärnten) und Waidhofen an der Ybbs (Niederösterreich).
Erstmals wurde darüber hinaus ein „Innovationspreis in memoriam Camille Gira“ an die niedersächsiche Dörfergemeinschaft Flegessen-Hasperde-Klein Süntel verliehen, die in besonderer Weise regionale Antworten auf globale Herausforderungen gefunden hat. Der Preis wurde zu Ehren des im Mai 2018 überraschend verstorbenen Luxemburger Staatssekretärs für Nachhaltigkeit, Camille Gira, gestiftet, der 15 Jahre lang der Jury zum Europäischen Dorferneuerungspreis angehört hatte.