Chronik eines einmaligen Europafestes
24. September 2012
Langenegg im Brennpunkt europäischer Dorfentwicklung
Doris Rinke, eine der organisatorischen Drehscheiben auf Vorarlberger Seite, hat die Veranstaltungen rund um die Verleihung der Europäischen Dorferneuerungspreise 2012 in chronologischer Abfolge niedergeschrieben und lässt damit ein einmaliges Europafest auf spannende Weise Revue passieren. Hier ist ihr Bericht:
Die Vorderwälder Gemeinde Langenegg stand drei Tage im Zeichen Europas: Gefeiert wurde der Europäische Dorferneuerungspreis, der vor zwei Jahren nach Langenegg und heuer unter dem Motto „Der Zukunft auf der Spur“ in die Graubündner Gemeinde Vals ging.
Es war ein wahres Fest der Begegnung, voll Freude und Emotionen, voll Buntheit und Vielfalt, so dass Langeneggs Bürgermeister Georg Moosbrugger am Ende die Gäste mit „liebe Freunde aus Europa“ bezeichnen und ihnen für die Lebensfreude danken konnte, welche die Preisträgergemeinden nach Vorarlberg gebracht hatten.
Rund 1000 Gäste aus 29 europäischen Gemeinden bzw. zwölf Nationen, von der Ostsee bis in die Südschweiz, von der Nordsee bis in die ungarische Puszta gaben sich von 20. bis 22. September ein Stelldichein in Langenegg. Sie feierten den bedeutendsten Preis zur Dorferneuerung und Landentwicklung in Europa, der alle zwei Jahre verliehen wird. Die unterschiedlichsten Wege zur Stärkung kleiner Dörfer und Teilgemeinden werden mit dem Preis gewürdigt und prämiert. Das dazugehörende multikommunale Begegnungsfest ist jeweils ein wichtiger Teil der Veranstaltung mit viel Gedanken- und Erfahrungsaustausch. Dazu gehörte speziell in Langenegg auch die praktische Anwendung der Dorfwährung „Talente“, denn Langenegg war drei Tage „Euro-frei“ und präsentierte sein System der örtlichen Wertschöpfungssicherung in der „internationalen Praxis“.
Als am Donnerstag innerhalb weniger Stunden über 900 Gäste in Bussen in Langenegg anreisten und herzlich empfangen wurden, tanzten und sangen sie spontan vor dem Gemeindeamt zur Begrüßung. Die Delegationen der Preisgemeinden waren in Hotels im ganzen Bregenzerwald untergebracht und brachten der Region mit rund 2000 Nächtigungen auch einen bedeutenden touristischen Effekt.
Im Buskonvoi zum Festakt nach Wolfurt
Im Mittelpunkt stand der Festakt am Freitag, für den Langenegg seinerseits im vorbildlich ausgestatteten und betreuten Wolfurter Cubus zu Gast war. Die 1000 Langenegger Gäste wurden in einem von der Verkehrspolizei begleiteten und von Kurt Betsch präzise organisierten Konvoi von 25 Verkehrsverbund- und Gastbussen nach Wolfurt gebracht. Bei herrlichem Herbstwetter bekamen sie, informiert von FremdenführerInnen, einen positiven Eindruck über den Vorderbregenzerwald und ein Stück Rheintal.
In seinen Grußworten zum Festakt wies Landeshauptmann Markus Wallner auf die derzeitige Phase der europäischen Identitätsfindung hin, zu welcher das Zusammentreffen der ländlichen Regionen einen wesentlichen Beitrag leiste. Er betonte auch die Pionierrolle, die Vorarlberg in Bereichen der Nachhaltigkeit spielt, und die erfolgreiche Arbeit des Zukunftsbüros, von dem auch Langenegg und andere Landgemeinden profitieren. Das Land als Partner der Gemeinden ermögliche zukunftsweisende Wege und Entwicklungen, so Wallner.
Gleiche Chancen für ländliche Regionen verlangt
In einer Gesprächsrunde zwischen Moderator Carlo Lejeune und Juryvorsitzendem Charles Konnen, Peter Kaltenegger von der Generaldirektion Landwirtschaft in der EU in Brüssel, dem Stv. Vorstandsvorsitzenden Johannes Ortner/Raiffeisenbank Vorarlberg sowie dem Langenegger Bürgermeister Georg Moosbrugger wurde deutlich, dass ländliche gegenüber den städtischen Räumen mehr Chancengleichheit brauchen. Die Förderung ländlicher Gebiete sei in optimierter Weise auch ein Ziel in der neuen Finanzierungsperiode der Europäischen Union (Kaltenegger). In Österreich werden derzeit 400 Millionen Euro jährlich für Regionalförderung ausgegeben. Die wichtigen Impulse der Basis in den Gemeinden vermögen viel zu bewegen, was von der Politik beachtet und gefördert werden müsse (Moosbrugger).
Auch für Landwirtschafts- und Umweltminister Niki Berlakovich sind vitale ländliche Räume existenziell für ein starkes Europa. In seiner Festansprache bekannte er sich zur Erzeugung regionaler landwirtschaftlicher Qualitätsprodukte, dezentralen Energiesystemen in den Regionen und damit mehr Unabhängigkeit und erspürte die Atmosphäre eines Aufbruchsgeistes und der Motivation im Europäischen Dorferneuerungspreis.
29 Gemeinden nahmen aus den Händen von Minister Berlakovich, Juryvorsitzendem Charles Konnen, Peter Kaltenegger und Geschäftsführerin Theres Friewald-Hofbauer von der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung ihre Preise in vier Kategorien entgegen, wobei Vals als Sieger mit Gemeindepräsident Stefan Schmid, mit Chor- und Alphornmusik im Mittelpunkt stand. In einer eindrucksvollen Präsentation der 29 Preisgemeinden verstanden es Theres Friewald-Hofbauer und Doris Hofbauer von der ARGE, die Vielfalt kommunaler Ideen, bürgerlichen Engagements und des Ideenreichtums aus europäischen ländlichen Regionen zu vermitteln.
Marsch-Uraufführung von Ludwig Bertel
Langenegg leistete einen wesentlichen Part zum Festakt: Zur Eröffnung wurde vom Musikverein Bergesecho Langenegg unter Leitung von Josef Fink in Anwesenheit des Komponisten und Ehrenkapellmeisters der Marsch „Dir zum Gruß Land Vorarlberg“ von Prof. Ludwig Bertel, begleitet von den Langenegger Singvögeln, uraufgeführt. Die 3. Klasse Volksschule (Leitung Renate Mätzler) sang ein munteres Zukunftslied, und die Singvögel unter Leitung von Manfred Wohlgenannt, mit der Solistin Elke Malojer und Erzähler Luggi Fuch beschlossen den Festakt mit dem „Langenegger Märchen“ vom Übergang der Dorfvergangenheit in eine hoffnungsfrohe Zukunft.
Marktplatz „Europa erleben“
Freitagabend wurde von Minister Berlakovich und Landesrat Erich Schwärzler der Marktplatz „Europa erleben“ im Langenegger Dorfzentrum eröffnet. Er wurde am Samstag fortgesetzt und bot mit 60 Ausstellern – Preisgemeinden, Leader-Regionen aus Deutschland und Vorarlberg sowie Institutionen der Regionalentwicklung – ein buntes Bild europäischer Ideen und Spezialitäten. „Europa schmecken, hören, sehen“ war denn auch das Motto, das Landesrat Schwärzler spontan dem Markt mit seinem europäischen Begegnungscharakter gab.
Mit viel Folklore wurde der Markt umrahmt, auf dem sich auch zahlreiche Vorarlberger Gäste und Prominenz aus Gemeinden informierten. Die Langenegger Vereine und viele Freiwillige erwiesen sich als kundige, herzliche Gastgeber, sorgten für Speis und Trank und bewiesen einmal mehr bürgerliches Engagement; so ist letztlich der Europäische Dorferneuerungspreis bei allen Langenegger „angekommen“. Die Anerkennung der Gäste für die Organisation des Festes in der 1100 Einwohner zählenden Kleingemeinde war zu hören und zu spüren.
Tanz der Begegnung
Vollends zusammen fanden Gäste und Gastgeber beim „Tanz der Begegnung“ zu einem Medley von Ludwig Bertels Melodien. 30 Langenegger Frauen hatten nach einer Idee von Maria Nußbaumer und unter der Leitung von Melitta Fehr einen einfachen Tanz einstudiert, mit dem sie fast alle Gäste auf den grünen „Tanzboden“ des Kunstrasenplatzes locken konnten. Letzterer leistete gute Dienste am regenfeuchten Samstag. Als Erinnerungsgeschenke überreichten die Langenegger Patinnen und Paten, welche die Gruppen drei Tage lang betreut hatten, von der Lebenshilfe gefertigte „Burkis“, die Maskottchen des Ehrenamts in Langenegg.
Interessante Langenegger und Europa-Themen
Die Preisverleihung war im Rahmenprogramm durch einen Markt, kulturelle Aufführungen und viel Wissensvermittlung in Form von Vorträgen begleitet. Am Freitagvormittag kamen über 400 Interessierte zu Workshops über jene Themen, die mitentscheidend für den Gewinn des Dorferneuerungspreises 2010 durch Langenegg waren: Bürgerengagement, Energieeffizienz, Arbeitsplatzschaffung, lokale Talente-Währung.
Bei Dorfführungen durch kundige Einheimische lernten die Gäste Langenegg mit seiner traditionellen und modernen Architektur, seinen sozialen und Nahversorger-Einrichtungen sowie den vielfach preisgekrönten Bemühungen um Energieeffizienz kennen. Nahezu die Hälfte der Gäste nutzte die Gelegenheit zu Exkursionen zur Langenegger Sennerei, nach Hittisau (Holzbaukultur und Frauenmuseum) und Riefensberg (Juppenwerkstatt).
Am Samstag galt eine Vortragsreihe Themen über Chancen des ländlichen Raumes in Europa mit kompetenten Referenten, u. a. Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser, Erwin Mohr als Mitglied des EU-Ausschusses der Regionen, Walter Vögel, Leader-Verantwortlicher für Vorarlberg, Gerald Mathis von der Fachhochschule Dornbirn und Manfred Hellrigl vom Zukunftsbüro der Landesregierung.
Zeitgleich fand am Freitag ein von der Vorarlberger Regionalentwicklung organisiertes Leader-Forum in Sulzberg-Thal, Krumbach und Hittisau zu aktuellen Themen ländlicher Gemeinden (Demografischer Wandel/Gemeinwohl/Nahversorgung, Ressourcenknappheit/Klimawandel/Mobilität, Arbeitsmigration/Integration/lokales Wirtschaften statt.
Großartiges Freiwilligen-Engagement
Langenegg meisterte die Großveranstaltung mit rund 400 freiwilligen Helfern, die das zehnköpfige Organisationskomitee in den verschiedenen Arbeitsbereichen um sich scharen konnte. Das professionelle Konzept für den Markt „Europa erleben“ und andere Teilbereiche kam aus der Regionalentwicklung/telesis in Alberschwende.
Die Veranstaltung wurde in einer breiten Partnerschaft von der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung, der Gemeinde Langenegg, Land Vorarlberg und der Vorarlberger Regionalentwicklung organisiert. Dank gebührt den Partnern und unterstützenden Organisationen: Bregenzerwald Tourismus GmbH, Vorarlberger Verkehrsverbund – V-MOBIL, Regio Bregenzerwald/Wälderbus, Foto Team Digital Wolfurt, EU-Leader-Programm, Raiffeisen – meine Bank, Novomatic, Lebensministerium, Netzwerk Land und Deutsche Vernetzungsstelle Ländliche Räume.
Fotos: ARGE / Gabriele Gober